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Corona-Hilfsprogramm Neustart Kultur: Ein Skandal?

Zweifellos ist es gut, genau hinzuschauen, wohin steuerfinanzierte Fördermittel fließen. Das gilt auch für den Kulturbereich, also auch für das aus der Corona-Pandemie erwachsene Hilfsprogramm „Neustart Kultur“. Deutschlandfunk Kultur hat nun mit einem Beitrag vom 15. November unter dem Titel „Die Kunst des Lobbyierens“ die Vergabe von diesen Fördermitteln am Beispiel von Galerien stark kritisiert. Deren Umsatz sei 2020 nicht so stark wie befürchtet eingebrochen, sondern im Gegenteil gewachsen. Die Gelder seien aufgrund einer starken Lobby insbesondere des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) vergeben worden, ohne dass der tatsächliche Bedarf geprüft wurde. 
Der Vorsitzende dieses Verbandes, Kristian Jarmuschek, stellte in einer Reaktion bei Deutschlandfunk Kultur klar, dass die genaue Umsatzentwicklung der Galerien mit drohenden Schließungen und Messeverboten nicht vorherzusehen war. Die Hilfsprogramme habe viele Existenzen gerettet und waren Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein Umsatz (und dann vielleicht auch ein guter) erzielt werden konnte, wobei ein großer Teil der Fördermittel im Rahmen von geförderten Ausstellungsprojekten weitergereicht wurde an die an den Ausstellungen beteiligten Personen und Betrieben und nicht als Gewinn bei den Galerist:innen verblieb. 
Die Recherche von Deutschlandfunk Kultur verdeutlicht aber auch, dass bis Herbst 2022 nur 5,28 % (105,6 Mio. Euro) der zwei „Kulturmilliarden“ in die bildende Kunst geflossen sind. Damit zählt die bildende Kunst zu den eher gering geförderten Sparten. Ungefähr ein Drittel dieser Summe haben Galerist:innen erhalten. Die dortige Förderquote von 80 % (d.h. 80 % der Anträge wurden positiv beschieden) zeigt gegenüber der Förderung der Künstler:innen in der Tat ein gewisses Ungleichgewicht: Zwar wurden laut Recherche 58,2 Mio. Euro an Künstler:innen vergeben, der Bedarf war aber so groß, dass es nur zu einer Förderquote von durchschnittlich 25 % kam. Bei Kunstprojekten, die über den Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler Gelder erhielten, lag die Förderquote sogar nur bei insgesamt ca. 13 %.
Die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagt zu der Förderung der Galerien, dass eine Prüfung des tatsächlichen Bedarfs anhand von Bilanzen „in der Akutsituation nicht möglich gewesen” sei. Die Hilfen sollten schnell und unbürokratisch ausgeschüttet werden, insgesamt sei das Programm ein großer Erfolg gewesen, meint auch der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann. Gemeinsam mit Gabriele Schulz veröffentlichte er eine ausführliche Stellungnahme in der neuen Ausgabe der Zeitschrift Politik & Kultur auf Seite 3.
Die Lage auf dem deutschen Kunstmarkt ist heute längst nicht mehr so gut wie 2020. Der Monitoringbericht der Bundesregierung zur Kultur- und Kreativwirtschaft aus dem Februar 2022 beziffert den Umsatzrückgang im Kunstmarkt von 2019 auf 2020/21 mit 39 Prozent, heißt es bei Deutschlandfunk Kultur. Und auch: Die meisten Unternehmen, vor allem aber die soloselbstständigen Künstler:innen haben das Geld gut gebrauchen können und seien verantwortungsvoll damit umgegangen.
Eine gründliche, kritisch-sachliche Auswertung der verschiedenen Neustart-Programme insgesamt steht noch aus, ist aber im besten Fall nützlich für die Zukunft, um noch zielgenauere und gerechtere Instrumente zur Stärkung der Kunst – auch in der Fläche – entwickeln zu können. Im Fall der Messen und Galeristen war es die erste Förderung überhaupt in diesem Bereich.

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